George Robinson
Peter Wattler-Kugler
Burkhard Bläsi
Europäische
Talkrunde
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Strafe aus systemischer Perspektive
Meine sehr geehrten Damen und
Herren,
vielen Dank für die Einladung
zu diesem „Zwischenruf“ – und genau dazu möchte
ich Sie heute einladen: Ich will keinen Vortrag halten, der ein Thema
umfassend und von allen Seiten würdigt.
Was bedeutet dagegen „Zwischenruf“?
Ich mache mich mit ein paar Gedanken bemerkbar, die gar nicht alle zu
Ende gedacht sind. Ich nähere mich dem Thema „Strafe“
eher assoziativ, und möchte Sie einladen, mir bei der Reise durch
meine „inneren Bilder“ ein Stück zu folgen ...
Eigene
Erfahrungen
Als Vater dreier Töchter
stellt sich die „Erziehungsfrage“ jeden Tag. Sie wissen selbst,
dass auch das beste Wissen uns nicht davor behütet, bisweilen ganz
tief in die Mottenkiste überkommener Erziehungsmethoden zu greifen. Das passiert ganz unwillkürlich und ... weil mir diese Erfahrung
so nah ist, möchte ich hier beginnen.
In der Vorbereitung auf diesen Kongressbeitrag
habe ich meine älteste Tochter gefragt, an welche Strafen
sie sich erinnert, die ich ihr gegenüber verhängt hätte.
Nach einer Zeit des Überlegens („Du hast mich eigentlich nie
bestraft“) fiel ihr schließlich etwas ein. Ich hätte ihr und ihrer Cousine im Alter
von 15 Jahren nach der Rückkehr um 5 Uhr morgens am Karnevalsfreitag für den
ganzen Rest der Karnevalstage verboten, nach Mitternacht nach Hause zu kommen. Na ja, werden Sie sagen, das ist doch ganz in Ordnung, da wird es
doch sicher noch „Schlimmeres“ geben. In der Tat, das denke ich auch.
Weit weniger im Reinen bin ich mit dem, was meine Tochter in dem Moment der
Frage nicht bedacht hatte: Szenen ärgerlicher Abwendung, der Strafe mit
Liebesentzug – dieser so hassenswerten Form repressiver gefühlskalter Toleranz
– Ergebnis des eigenen Haderns mit sich selbst und den Gefühlen, denen ich
selbst nicht traue und die ich deshalb am liebsten ganz mit mir selbst ausmachen
würde. ...
... Strafe ist paradoxes Handeln
Welche Bedeutung hat dies nun für die Frage
der Wirkung bon Strafe? Während Bestrafende davon ausgehen, dass
eine Person die Bestrafung notwendig auf das unerwünschte Verhalten
bezieht, halten Systemiker auch die andere Opiton für möglich:
Es ist nämlich keinesfalls gesichert, dass die Person die negativen
Konsequenzen, die sich aus der Strafe ergeben, mit der ungewünschten
Handlung oder mit der strafenden Person wirklich in Beziehung setzt. Ebenso
begründet ist die Annahme, dass die negative Assoziation nicht mit
dem eigenen Verhalten verknüft wird, sondern vielmehr mit der strafenden
Person ("blöde Kuh","doofer Papa" ...), die mit
der Strafe ja angeblich Gutes bewirken will. ...
... Strafe ist in systemischer Sicht
ein untaugliches pädagogisches Mittel, weil die damit beabsichtigte
direkte Beeinflussung des Kindes schlechthin unmöglich ist.
Eine der Fragen, auf die ich mit diesem „Zwischenruf“ eine
Antwort versuchen sollte lautete: „Gibt es aus systemischer Perspektive
Bereiche, in denen es Sinn macht, zu bestrafen?“
Ich will mich um
diese Frage nicht herum drücken, auch wenn ich sie nur sehr vorsichtig
beantworten kann: Wenn Strafe aus systemischer Sicht „Sinn“
machen soll, dann höchstens als “Verstörung”, die
keine negativen Konsequenzen, sondern vielmehr eine Optimierung der Lernbedingungen
und des Lernumfeldes zur Folge hat. Manche Versuche, an Schulen einen
„Trainingsraum“ einzurichten, deuten meines Erachtens in diese Richtung.
Das Ziel ist dabei niemals „Schuld“ zu klären.
Jede Pädagogin und jeder Pädagoge weiß
im Grund seines Herzens, dass das nicht geht und dem Betroffenen nichts
nutzt – jedenfalls, soweit Schuld extern festgestellt wird. Vielmehr
geht es um die Sicherung einer Zukunft (kurz-, mittel- und langfristig),
in der alle Betroffenen – auch miteinander – Lernen möglich
machen.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass auch hier gilt: Menschen „funktionieren“
nach den Prinzipien der Selbstorganisation, weshalb die Folgen von “Verstörungen”
nicht absehbar sind. Die Wahrscheinlichkeit einer Verstörung in die
“falsche Richtung” ist groß.
Zum vollständigen Vortrag geht es hier
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No Blame
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"Zwischenruf" von Peter Wattler-Kugler
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Über Peter Wattler-Kugler
- Peter Wattler-Kugler ist Diplom-Psychologe und
Organisationsberater als Partner des Netzwerks
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